Herta und Patricia Lueger
Bardame gesucht - Zimmer vorhanden
Der Anfang vom Ende
Eines Tages kam Nina, eine ehemalige Nachbarin, zu mir und sagte, sie habe eine Freundin, Aline, die gerne bei mir arbeiten würde.
Damals, Anfang der Neunzigerjahre, besaß ich keine Clubs mehr, Aids hatte der Branche schwer zugesetzt, die Angst vor Ansteckung war groß. Zu Hause fühlten sich die Männer sicherer, daher baten mich die Mädchen, die zuvor in meinen Clubs gearbeitet hatten, sie zu vermitteln. „Du kannst uns doch nicht den Zuhältern ausliefern“, sagten sie, weil sie wussten, dass bei ihnen andere Regeln galten. Hielt sich eine nicht daran, ging sie schon mal mit einem gebrochenen Arm nach Hause. Kondome waren bei vielen ohnehin tabu. Hauptsache der Rubel rollt. Bei mir war es anders. Ich war die Einzige, die gesagt hat, Schutz muss sein. Alles andere wäre undenkbar gewesen. Deshalb wollte Aline bei mir arbeiten.
Als ich sie das erste Mal sah, dachte ich, das gibt’s ja nicht! Sie war nicht nur bildschön, sondern wirkte auch edel, so ein Typ höhere Tochter, und hatte ein Einser-Abitur. Was wollte denn die bei mir? Ganz selbstverständlich antwortete sie dass sie schon mit Anfang zwanzig in Münchens bekanntestem Bordell gearbeitet hätte.
„Wenn du mich brauchst, rufst du mich an oder bei meiner Mami.“
„Wo soll ich anrufen, bei der Mami?“
„Wir wohnen Tür an Tür, sie weiß Bescheid.“
Aline kam aus einer Akademikerfamilie und ich konnte mir nicht erklären, wie sie am Strich gelandet war. Aber Franz, mein Lebensgefährte, ein Modefotograf, der für solche Sachen ein Gespür hatte, vermutete, dass sie auf Heroin sei. Ich hatte mit Drogen nie etwas zu tun gehabt und war entsprechend naiv. Aline war korrekt, studierte an der Uni und lebte in einer gepflegten Altbauwohnung, in der sie das Parkett selbst verlegt hatte. Unter einer Drogensüchtigen stellte ich mir etwas anderes vor.
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